In meinen letzten zwei Artikeln (Teil 1 und Teil 2) haben wir schon ausführlich über Sexismus, seine Definition und die Schwierigkeiten von Männern in unserer aktuellen Gesellschaft gesprochen. Richtig problematisch ist jetzt folgendes Thema: Es gibt keinen Sexismus gegen den Mann. Also, sagen zumindest Margarete Stokowski in ihrem Artikel für den Spiegel von 2018 oder auch Emilia Roig für die Ze.tt.
Diverse Twitterinnen, die “Feministin” in ihrer Bio stehen haben, bekräftigen dies stetig. Gemeint ist damit meistens Sexismus im Sinne einer strukturellen Diskriminierung, die bei Männern nicht vorkomme.
Strukturelle Diskriminierung – Nein. Sexismus am Mann? Ohja!
Zum Glück gibt es, abgesehen von mir, auch noch eine Menge anderer Menschen, die wissen, dass das ausgemachter Quatsch ist. Die Organisation “Human rights channel” sagt zum Beispiel folgendes:
Sexismus betrifft vor allem Frauen. Er kann auch Männer und Jungen betreffen, wenn sie sich nicht den stereotypen Geschlechterrollen der jeweiligen Gesellschaft anpassen.
Sogar unser Bundesministerium für Familie und Soziales wollte es mal genau wissen und hat eine Pilotstudie zum Thema: “Sexismus im Alltag” in Auftrag gegeben. Ich zitiere mal ein wenig:
In den Alltagsdefinitionen von Sexismus gibt es eine Oberflächenstruktur, die geschlechterübergreifend von Frauen und Männern geteilt wird: Sexismus ist ungut, persönlich herabsetzend und sozial zu verurteilen.
Die Unterbestimmtheit des Begriffs Sexismus führt zu oft gegensätzlichen Verständnissen dessen, was Sexismus ist, was nicht und wo die Grenze verläuft: Vor allem für jüngere Frauen […] ist Sexismus ein weites Feld […]ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern, Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, Risiko der Altersarmut, Vergewaltigungen, körperliche und andere Formen von Gewalt, das traditionelle Geschlechterverständnis, in dem Frauen als das „schöne“ und Männer als das „starke“ Geschlecht gelten, ebenso strukturelle Benachteiligungen durch das Ehegattensplitting und das Lohnsteuerklassensystem.
Konträr dazu erkennt ein Teil der Männer […] unakzeptablen Sexismus nur in derb-verletzenden Worten, Gesten und Bildern. Für sie ist Sexismus keine flächendeckende Grundströmung, sondern eine moralische Verfehlung einzelner Personen und Personengruppen. […] Sexismus fällt für diese Männer primär in die Kategorie, „persönlicher Anstand“, weniger in die Bereiche Zivilisation und gesellschaftskulturelle Struktur.
Übersetzt heißt das klar – Geschlechtsunabhängig finden wir alle Sexismus scheiße. Frauen haben mehr das Gefühl, Sexismus sei ein gesellschaftliches Problem, Männer haben häufiger den Eindruck, es handelt sich um ein Problem, dass die Person, welche sexistisch ist, hat. Das heißt aber nicht, dass kein Mann Sexismus erlebt.
Grafik by canva
Bei Normabweichung – Mädchen!
Jack Urwin, Brite, Autor und Journalist veröffentlichte das Buch “Boys don’t cry”. Hier behandelt er das Problem, dass Männlichkeit geprägt ist von Toxizität – als passiver Part. Denn nach Urwin lernen Männer von klein auf, dass sie nur dann männlich sind, wenn soziale und emotionale Kompetenzen für sie eine untergeoordnete Rolle spielen. Das Männerbild unserer Gesellschaft ist vererbt, die Problematik setzt sich immer weiter fort. Das liegt daran, dass Jungs von Männern zu Männern erzogen werden, die selbst nicht gelernt haben, emotionale Kommunikation zu führen. Oder auch so essenziellen Blödsinn wie nicht zu weinen, immer stark zu sein, und so weiter.
Da finden wir dann eben diese Strukturen, die Männer zwingen, sich in den Stereotyp einzufügen, da sie sonst “weibisch”, “Weichei”, “Softie” oder natürlich selbstredend “schwul” sind. Allein, dass der Begriff schwul immer noch benutzt wird, um Männer zu beleidigen… Lassen wir das, anderes Thema. Aber worauf ich hinaus will, sollte klar sein. Der Sexismus am Mann ist vielleicht weniger die sexuelle Belästigung auf der Straße, sondern auch vielfach das immer wieder Abstrafen einer männlichen Person, die das Klischee eben nicht erfüllt.
Was ist denn jetzt Sexismus am Mann?
Um das ganze mal etwas zu vereinfachen, machen wir jetzt Beispiele. Damit jede:r versteht, was ich meine, wenn ich sage “Sexismus gegen Männer ist real”.
- Herabwürdigung von Männern, die „weiblichen“ Sport betreiben, wie Eiskunstläufer.
- Abfällige Bemerkungen gegenüber Männern, die “unmännliche” Berufe ausüben.
- Ein Polizist, der einen Vorwurf von Gewalt gegen Männer nicht ernst nimmt oder verharmlost.
- LehrerInnen, die Kommentare zum Erscheinungsbild von SchülerInnen /StudentInnen/KollegInnen machen, können ebenfalls sexistisch sein und sich gegen männliche Personen im speziellen richten.
- Lehrbücher mit stereotypen Bildern von Frauen/Männern, Jungen/Mädchen. Das Fehlen von Männern in Büchern über Sozialkunde, Hauswirtschaftsunterricht etc.
- Karriere- und Bildungsberatung, die zu stereotypen Berufen oder Studienfächern rät, also Jungs eher zu Maschinenbau oder ähnlichem drängen will.
- Die Verwendung von Ausdrücken wie „rennen wie ein Mädchen“ oder „Jungs sind nun einmal Jungs“, “Mann oder Maus”, etc.
Gleichstellung, Gleichberechtigung und Gleichbehandlung
Warum man immer wieder auf den Trichter kommt, es gäbe keinen Sexismus gegenüber dem männlichen Geschlecht, kann ich mir, ebenso wie die permanenten Klagen von Hardcore-Feministinnen nur auf eine Art erklären: Es fehlt an Begriffskompetenz. Denn Gleichstellung, Gleichberechtigung und Gleichbehandlung klingen zwar mehr oder minder “gleich”, sind aber fernab davon, das Gleiche zu sein. Da wirds halt auch schnell mal peinlich auf dem Demoplakat.
Unter Gleichstellung versteht man Maßnahmen der Angleichung der Lebenssituation von im Prinzip gleichberechtigten Bevölkerungsgruppen. (z. B. Gleichberechtigung von Frau und Mann).
Unter Gleichbehandlung versteht man Maßnahmen zur Angleichung benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen (Menschen mit Behinderung, Menschen mit Erkrankung, Menschen mit Migrationshintergrund, Kinder bildungsferner Eltern) in allen Lebensbereichen.
Basis der Gleichberechtigung ist heute weltweit der Gleichheitssatz der UN-Menschenrechtekonvention: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Gleicheberechtigung ist damit ein Menschenrecht, das mit Freiheit und Würde auf einer Ebene steht.
Das kann man sich also genüsslich auf Wikipedia nochmal zu Gemüte führen, damit es bei der nächsten hitzigen Diskussion keine Unstimmigkeiten gibt.